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Die nächste Revolution der industriellen Robotik: Flexibilität durch Künstliche Intelligenz

Die industrielle Robotik steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Roboter wurden bislang vorwiegend für repetitive Aufgaben mit hohen Präzisionsanforderungen, aber geringem Flexibilitätsbedarf eingesetzt. Neue technologische Entwicklungen eröffnen jedoch eine völlig neue Dimension: Die Roboter der Zukunft werden deutlich flexibler, intelligenter und vielseitiger einsetzbar sein.

 

Traditionelle Stärken und ihre Grenzen

Industrieroboter sind heute aus modernen Fertigungsprozessen nicht mehr wegzudenken. Sie übernehmen Aufgaben wie Pick-and-Place, Punktschweißen oder Fügeoperationen. Ihre Stärken liegen in der hohen Wiederholgenauigkeit und der Fähigkeit, schwere Lasten präzise entlang vorgegebener Bahnen zu bewegen. Doch diese Aufgaben sind in der Regel stark standardisiert. Jede Abweichung von der programmierten Idealumgebung führt häufig zum Prozessabbruch.

Ein Beispiel: Ein Roboter ist so programmiert, dass er Pakete auf eine Palette stapelt. Damit dies funktioniert, müssen sowohl die Palette als auch die Pakete exakt an den erwarteten Positionen bereitgestellt werden. Schon kleine Abweichungen können den Prozess zum Scheitern bringen, es sei denn, es wurden vorher aufwändige Zusatzsysteme wie eine kamerabasierte Erkennung programmiert. Flexibilität? Fehlanzeige.

 

Moderne Robotik: Präzision, Kraftregelung und der Weg zur kognitiven Flexibilität

Moderne Roboter sind heute in der Lage, Aufgaben zu übernehmen, die ein hohes Maß an Präzision und Feinfühligkeit erfordern. Durch kraftgeregelte Steuerung können sie beispielsweise adaptive und fallspezifische Schleifprozesse durchführen. Diese Schleifapplikationen gelten deshalb als adaptiv, weil die zu bearbeitenden Stellen zunächst automatisiert erkannt werden. Auf Basis dieser Detektion erfolgt eine dynamische Anpassung der Schleifparameter, etwa des Anpressdrucks, der Vorschubgeschwindigkeit oder der Werkzeugposition. Auch die Bearbeitungsbahn kann individuell angepasst werden, um auf unterschiedliche Geometrien oder Werkstücktoleranzen flexibel zu reagieren. Diese Tätigkeiten, waren bisher ausschließlich dem Menschen vorbehalten.

Auch im Bereich anspruchsvoller Fügeprozesse bei Produkten mit sehr engen Toleranzen kommen Roboter zunehmend zum Einsatz. Dabei werden beispielsweise klassische Kraftregelungsalgorithmen oder Machine-Learning-Ansätze eingesetzt, um den Roboter basierend auf den auftretenden Widerständen so zu steuern, dass innerhalb der engen Toleranzgrenzen keine Kollisionen auftreten.

Weitere Beispiele moderner Roboterapplikationen finden sich in der räumlich flexiblen Qualitätskontrolle. Ausgestattet mit Kamerasystemen sind Roboter in der Lage, ähnliche Objekte zu unterscheiden oder qualitative Fehler zuverlässig zu erkennen. In solchen Fällen führt der Roboter die Kamera selbst und übernimmt damit aktiv die visuelle Inspektion. Künstliche Intelligenz erweitert die Möglichkeiten der Robotik erheblich. Sie erlaubt es, Sensordaten zu interpretieren, Bilder auszuwerten und Entscheidungen auf Basis der erkannten Informationen zu treffen. Trotz dieser Fortschritte müssen Roboter jedoch nach wie vor sehr genau vorprogrammiert werden, um zuverlässig zu arbeiten.

Für echte Flexibilität braucht es daher eine neue Generation von Robotern, die nicht nur Befehle ausführen, sondern auch eigenständig Zusammenhänge erfassen und Entscheidungen treffen können. Erst dann wird es möglich sein, Roboter dynamisch und intuitiv in komplexen, sich verändernden Umgebungen einzusetzen.

 

KI als Game-Changer

Gleichzeitig schreitet die Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz rasant voran. KI, also die Fähigkeit von Computersystemen, kognitive Leistungen zu erbringen, kann heute bereits Bilder interpretieren, Sprache verstehen, Entscheidungen treffen oder aus Daten lernen. Autonom fahrende Autos zeigen eindrucksvoll, was möglich ist, wenn sensorgestützte Daten, maschinelles Lernen und Entscheidungslogik zusammenkommen.

Was passiert also, wenn man Roboter und hochentwickelte KI kombiniert?

 

Sprachmodelle als Schlüsseltechnologie

Insbesondere sogenannte generative KI-Modelle wie GPT (bekannt durch ChatGPT) haben sich als vielseitige Werkzeuge erwiesen. Solche Large Language Models (LLMs) verstehen und erzeugen nicht nur Sprache, sondern können auch Schlüsse ziehen, Aufgaben analysieren oder Programmcode generieren.

Ein Beispiel: Ein Sprachmodell kann anhand einer schriftlichen Produktbeschreibung eine Montagesequenz ableiten, ohne dass dafür vorher ein Mensch jeden Einzelschritt mühsam programmieren muss. Auch sprachbasierte Anweisungen an Roboter sind denkbar: „Stelle die rote Kiste auf die Palette“ – ganz gleich, ob die Kiste als „Box“, „Paket“ oder „Behälter“ bezeichnet wird. Das Modell erkennt den Kontext.

 

Multimodale Modelle: Sehen, Verstehen, Handeln

Noch spannender wird es mit sogenannten multimodalen Sprachmodellen, die nicht nur Text, sondern auch Bilder oder andere Medien interpretieren können. Solche Modelle ermöglichen Szenarien, die bisher undenkbar waren.

Stellen wir uns vor: Ein Roboter, gekoppelt an ein multimodales KI-Modell, „sieht“ eine Arbeitsfläche mit verschiedenen Gegenständen. Eine einfache Anweisung genügt:
„Pack alle Flaschen in das große Paket, und alle Dosen in das kleinere.“
Das Modell erkennt in der Bildszene, welche Objekte Flaschen und welche Dosen sind, identifiziert die passenden Kartons und generiert auf dieser Basis Handlungsanweisungen für den Roboter.

Natürlich bleiben physikalische Anforderungen bestehen: Der Roboter braucht passende Greifer, muss sich auf die Umgebung referenzieren können, aber die Schwelle, explizite Fälle vorab zu programmieren, sinkt deutlich. Die Systeme werden dadurch agiler, intelligenter und alltagstauglicher. Und die Entwicklung geht noch weiter. Inzwischen entstehen spezielle große KI-Modelle, die Roboter dazu befähigen, komplexe Aufgaben allein anhand von Kamerabildern auszuführen. Dazu gehört zum Beispiel das Einräumen von Geschirr, das Falten von Kleidung oder das Öffnen von Schränken und Schubladen. Beeindruckend ist dabei die Flexibilität dieser Modelle. Sie funktionieren unabhängig davon, wie die Spülmaschine aufgebaut ist, welches Kleidungsstück vor ihnen liegt oder wie genau ein Griff gestaltet ist. Überträgt man dieses Prinzip auf industrielle Anwendungen, wird das Potenzial schnell deutlich. Roboter könnten künftig adaptive Fügeoperationen ausführen, biegeschlaffe Bauteile zuverlässig handhaben und unterschiedlich gestaltete Schalter oder mechanische Bedienelemente bedienen, ohne auf präzise Geometrien oder exakte Toleranzen angewiesen zu sein. Diese Fähigkeiten ebnen somit den Weg für generalistische Systeme, die auch in variierenden Produktionsumgebungen sicher und effizient arbeiten können. Das Ziel besteht darin, Roboter zu entwickeln, die ähnlich anpassungsfähig wie der Mensch agieren und Aufgaben auch in leicht veränderten Umgebungen zuverlässig bewältigen können.

 

Fazit: Roboter werden lernfähig und kontextsensitiv

Die Kombination aus klassischer Robotik und moderner KI birgt enormes Potenzial. Roboter werden nicht nur immer präziser, sondern auch immer adaptiver. Sie können Aufgaben eigenständig interpretieren, auf Veränderungen reagieren und mit ihrer Umgebung interagieren, ganz so, wie es eine moderne und wettbewerbsfähige Industrie verlangt.

Die nächste Revolution der Robotik ist in vollem Gange. Unternehmen, die heute auf diese neuen Technologien setzen, werden morgen in der Lage sein, deutlich flexibler und effizienter zu produzieren.

 

Erleben Sie die Zukunft der Robotik live beim Innovationstag – Robotik trifft KI: Praxisnahe Anwendungen für die flexible Produktion und Montage

Sie möchten mehr über den Einsatz moderner Robotik und Künstlicher Intelligenz in der Produktion erfahren? Dann laden wir Sie herzlich zu unserem Innovationstag Robotik trifft KI – Praxisnahe Anwendungen für die flexible Produktion und Montage ein. Die Veranstaltung findet am 24. September 2025 von 8:30 Uhr bis 15:30 Uhr statt.

Im Rahmen des Innovationstags präsentieren wir Ihnen innovative und praxisnahe Lösungen für die industrielle Fertigung. Dazu gehören unter anderem robotergestütztes Schleifen, Qualitätskontrolle mit Bildverarbeitung sowie sensorbasierte Robotersteuerung. Freuen Sie sich auf spannende Live-Demonstrationen und konkrete Anwendungsbeispiele aus der Industrie.

Zum Abschluss haben Sie die Gelegenheit, Ihre ganz individuellen unternehmerischen Problemstellungen direkt an unser Expertenteam zu richten. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie bereits Roboter im Einsatz haben oder gerade erst über den Einstieg in die Automatisierung nachdenken. Wir unterstützen Sie gerne auf dem Weg zu einer flexiblen und zukunftsfähigen Produktion.

Hier gelangen Sie zur Anmeldung: https://edih-saarland.de/de/events/innovationstag-ki-und-robotik/

Autor

Dr. Attique Bashir

ZeMA